Eine immer wiederkehrende Behauptung betrifft das Thema Infrastruktur. Es gibt doch nichts zum Laden. Beliebt ist auch die Diskussion des Henne-Ei-Problems. Aber hat das mit der Wirklichkeit zu tun?
Die Zahl der Lademöglichkeiten wächst. In der Datenbank chargemap.com gibt es 28205 Einträge (2015-11) mit 81889 Anschlüssen für mehrere Länder und wachsend. Die Zahl der Benzin-Tankstellen schrumpft dagegen. Von über 40.000 in DE 1960, sind heute noch ca. 14.000 übrig geblieben.
Da 90% aller Fahrten rund um die eigene Wohnung geschehen, dann können diese Autos auch meist bequem über Nacht daheim geladen werden.
Unterwegs gibt es z.B. über 1.000 Ladesäulen allein von RWE mit 11 bis 22 kW Drehstrom. Die Frage ist hier nicht, ob es eine Lademöglichkeit gibt, sondern ob ich mit meinem Auto sie auch richtig nutzen kann. Deutsche Autos können nicht mit Drehstrom laden, und wenn doch, dann nur mit einem teuren Zubehör. Hier scheint etwas Eigenartiges passiert zu sein.
Wenn man z.B. RWE unterstellt, dass sie vernünftige Entscheidungen treffen, dann mußte es klar sein, dass diese Ladesäulen von den Autos genutzt werden würden. Das tun sie nicht. Damit werden auch keine ausreichenden Umsätze an den Ladesäulen generiert. Es rechnet sich nicht, eine Säule aufzustellen.
Es scheint so, als wären die deutschen Autohersteller ausgeschert. Zu Ungunsten der Versorger haben sie das Laden mit Wechselstrom eingeschränkt und einen neuen Gleichspannungs-„Standard“ kreiert, den CCS2. Ich kenne keinen einzigen Fall, wo diese Version irgendeinen Kunden-Vorteil gebracht hätte. Aber er ist Grundlage für Förderprogramme, die mit unseren Steuern bezahlt werden. Es gibt dafür kaum Lademöglichkeiten. Die sollen nun per Ladesäulenverordnung eingeführt werden. Hier tobt ein marktwirtschafts-ferner und iliberaler Kampf zum Schaden der Kunden und unseres Landes, zum Nutzen einer überbordenden Bürokratie.
Ein CCS2 Anschluss ist meist nicht in der Grundausstattung vorhanden. Er kostet z.B. bei einem eGolf 600,- EUR Aufpreis, bei einem i3 1590,- EUR. (990,- Ende 2015)
Noch etwas: Ende 2015 hat BMW einen Preis für den Ausbau der Infrastruktur gewonnen – in den USA.
Für den ED-Smart fehlt die AC/3-Möglichkeit. Hier kostet die Aufrüstung zu einem Laden mit drei Phasen 3.060,- EUR. Da das Ladekabel noch fehlt, werden zusätzlich 239,- EUR fällig (Peisliste 2015). Aber die Produktion ist ja eingestellt.
Trifft heute (2015-07) ein eGolf auf eine RWE Ladesäulen laufen typisch nur 3,6 kW von einer Säule, die 22kW abgeben könnte. Das Auto blockiert lange die Säule, die in dieser Zeit besser von Autos genutzt werden könnte, die die passende Leitung auch abrufen können.
Wenn aber kein Strom verkauft wird, dann fehlen auch die Gelder für die Wartung der Säulen.
In den Foren werden die langsamen Lader als „Schnarchlader“ bezeichnet.
Ganz besonders unangenehm sehe ich den Lobbyismus auf europäischer Ebene. Dort werden Vorschläge diskutiert, bis zu 150.000 Ladesäulen insbesondere in bevölkerungsschwachen Zonen zu installieren. Wieder mit unserem Steuergeld? Niemand braucht die. Nur die Hersteller.
Wieviele Ladesäulen man wirklich braucht hängt sehr stark von der Batteriekapazität im Auto ab. Technisch sind heute Reichweiten um die 1.000 km durchaus realistisch. Angeboten werden zwischen 450-600 km bei teuren Fahrzeugen und ca. 150-250 bei der preislichen Mittelklasse. Aber die Entwicklung geht weiter. Ein Renault ZOE hat seine Reichweite von 190 auf 250km erhöht. Nach und nach werden alle Hersteller bessere Batterien einsetzen. Der Radius wächst, die Anzahl notwendiger Nachlademöglichkeiten schrumpft massiv.
Im Modelljahr hat Renault die Batterie seiner ZOE verdoppelt für eine realistische Reichweite von über 300km. Man braucht somit nicht an jeder Ecke eine Lademöglichkeit. Und es ist nun die zweitbeste Reichweite hinter einem Tesla.