Praxis – Autokauf

Die grundlegende Frage ist, brauche ich ein Auto, das man generell als Zweitwagen bezeichnen könnte, oder brauche ich ein Auto für die Langstrecke?

Der Begriff „Zweitwagen“ ist sicher falsch, aber eingängig. Zum einen wird oft der sogenannte Zweitwagen zum Lieblingswagen der Familie und damit erste Wahl. Und wenn sich ein eAuto-Besitzer entschließen kann, sich bei Langstrecken oder vor Ort im Urlaub einen Mietwagen zu nehmen, dann entfällt einfach der Erstwagen, der heute noch meist ein Verbrenner ist. Für die Kosten eines Autos im Jahr kann man ziemlich lange einen Mietwagen fahren. Aber fangen Sie ruhig mit Idee des Zweitwagens an und Sie fahren mindestens 90% der Zeit mit dem Zweitwagen.

Trotzdem sollten Sie einen Blick auf das Laden Ihres potentiellen Fahrzeugs werfen. Sie leben vermutlich in Europa, dem dreiphasigen Drehstrom-Land. Dieses System hat sich für alle Maschinen bewährt. Ihr Auto sollte damit umgehen können und die 11 oder 22 kW einer typischen (preiswerten und allgegenwärtigen) Ladesäule akzeptieren. Der Renault ZOE ist hier ein gutes Beispiel.

In der Lebenswirklichkeit spielt die ganze Diskussion um das Laden für Zweitwagen keine Rolle. Chris Paine, Regisseur von „Who killed the electric car?“, spricht vom drei Sekunden Laden, abends einstecken, morgens abstecken, fertig.

Für die Langstrecke brauchen Elektroautos eine größere Batterie und passende Ladestationen mit Gleichstrom. Die große Batterie kostet heute noch eine ganze Menge. Der Batteriepreis wird dabei ziemlich schnell als Grund entfallen, da er durchschnittlich um 1% im Monat sinkt. Nimmt man noch technologische Verbesserungen hinzu, dann verliert die bisher teure Batterie ihren Einfluss auf das Endprodukt.

Batterien werden aus Zellen zusammengesetzt z.B. 16850 Zellen. Wichtig ist daher, ob man Zugang zu Batteriezellen hat oder nicht. In Deutschland gibt es ab Ende 2015 keine Produktion mehr. Daimler wird seine Tochter Li-Tec schließen – trotz 30 Millionen erhaltener Förderungsgelder; in den USA verdoppelt die Fa. Tesla im nächsten Jahr die Weltproduktion von Batteriezellen des Jahres 2013.

Sie finden die Verbesserung an allen Ecken auch im Endprodukt. Renault erhöht die Reichweite seines ZOE von 190 auf 250 km, Tesla will noch dieses Jahr eine verbesserte Batterie für den nicht mehr produzierten Roadster mit 600 km Reichweite herausbringen. Und das Model S bekommt auf Wunsch eine neue Batterie mit 90 kWh (Reichweite +6%).

Bleibt das Ladesystem offen. Laden an der SchuKo-Dose dauert gefühlt ewig. Bei einer leeren Tesla Batterie sind wir im Tagesbereich. Und auch kleine Autos brauchen mehrere Stunden, um ihre Batterie wieder zu füllen. Auch die DC Schnellladestationen mit CCS2 sind im Stundenbereich. Bei Aldi laden Sie mit 20 kW an einer CCS2 Station, da Aldi zwar die leistungsfähigen Stecker anbietet, aber dank der LSV (Ladesäulenverordnung) unter 22 kW bleibt. Die verfügbare Obergrenze läge typisch bei 50 kW. Und es gibt sehr wenige Stationen, wenn man auch mit Hilfe der sogenannten „Ladesäulenverordnung“ mehr Angebote erzwingen will. Hier greift wieder der Staat auf seine Art in den Markt ein.

Für Langstrecken bleibt heute (2015-07) nur der Tesla Model S mit seinen SuperChargern übrig. Leider kostet er (noch) ziemlich viel. Aber damit kann man von Tarifa zum Nordkap fahren.

Die nächste Frage ist oft, soll ich die Batterie kaufen oder mieten? Hinter der Idee, eine Batterie zu mieten stehen zwei Gründe: zum einen sinkt optisch der Verkaufspreis und zum anderen erleichtert eine Batteriemiete einen schnellen Wechsel. Die Miete bieten nur einige Hersteller an – z.B. Renault.

Es gibt die Idee, mit dem Auto wie bei einer Waschstrasse in einen automatisierten Batteriewechsler zu fahren. Innerhalb von ein-einhalb Minuten können Sie dann mit einer vollen Batterie weiterfahren. Ein ehemaliger Manager der Fa. SAP, Shai Agassi, warb für seine neue Firma „better place“ insbesondere in Israel und Dänemark Millionen ein, die in Wechselsysteme investiert wurden, die keiner wollte.  Sie ist inzwischen, wie man so sagt, pleite.

Die Wechselidee wurde auch bei Tesla verwirklicht. Wieder will sie niemand. Obwohl alle Kunden in Kalifornien eingeladen wurden, kamen nur wenige (unter 10) und diese kamen nie wieder.

Geblieben ist die Idee, Batterien zu mieten. Damit hat auf der einen Seite der Autokonzern ein regeläßiges Einkommen und auf der anderen Seite der Kunde die Sicherheit über die Mietdauer. Nur welche Sicherheit ist das? Tesla Roadster Fahrer berichten von 600.000 km gefahrenen Kilometer, Tesla gibt acht Jahre Garantie auf die Batterie. Ziel der Entwicklung bei Tesla ist es, 1.000.000 Meilen mit einem Antrieb zu fahren. Was wollen Sie mehr? Und alte Autos, wie der Toyota RAV4 elektrisch, laufen heute noch.

Viele Kunden mögen weder Wechsel noch Miete.

Wenn Sie ein Elektroauto erwerben, müssen Sie die Frage beantworten: wo lade ich normalerweise? Haben Sie ein eigenes Haus, eine eigene Garage oder einen eigenen CarPort, dann können Sie vermutlich dafür sorgen, dass eine Steckdose (sie wissen schon – mit drei Phasen) installiert wird. Abends einstecken, morgens abziehen, fertig. Vergessen Sie nicht das Sicherheitspaket in Form einer wall box oder einer transportablen Variante (Bettermann-Box, Juice Box, etc.).

Andere brauchen öffentliche Ladestationen. Meistens bieten die Stadtwerke, hier in München die SWM, Lademöglichkeiten an. Aber auch Firmen nutzen gerne die Werbemöglichkeit mit den neuen Elektroautos. V-Markt. Aldi-Süd, Ikea, McDonalds, und andere.

Helfen kann Ihnen bei der Suche eine der vielen Datenbanken im Netz. Vielleicht besuchen Sie einmal Lemnet.org. goingelectric.de, chargemap.com oder rwe.de. Für ihr Smartphone gibt es auch die passenden Apps.

Sicherheitshalber sollten Sie möglichst viele Lademöglichkeiten in Ihrem täglichen Umfeld besuchen, um Vertrauen zu gewinnen.

Beim Kauf ist eine wichtige Frage, was denn im Grundpreis enthalten ist und was Aufpreise verlangt. Laden, Navigation, Kommunikation und Komfort sind entscheidende Punkte.

Die Frage beim Laden ist: kann das Fahrzeug „europäisch“ mit drei Phasen Wechselstrom laden? Gibt es eine Schnelllademöglichkeit mit Gleichstrom?

Die Navigation hat neben ihrer normalen Aufgabe auch den Sinn, Lademöglichkeiten zu finden. Ladestationen können auch in vielen Fällen auf ihr normales Navi geladen werden. Im besten Fall haben Sie eine Internetverbindung und können die Datenbanken bei Bedarf durchsuchen. Navigation bietet oft auch Zusatzfunktionen, wie teilweise Fernsteuerung oder automatische Unfallmeldungen. Was kostet die Kommunikation nach zwei Jahren?

Der Komfort beinhaltet die üblichen Merkmale wie Sitze oder Klimatisierung. Seit dem EV1 von General Motors aus dem Jahre 1996 ist es üblich, zur Klimatisierung von Elektroautos Wärmepumpen einzusetzen, so wie in modernen Wäschetrocknern. Das spart deutlich Energie. Hat ihr angedachtes Auto eine Wärmepumpe oder fällt es hinter den Stand der Technik zurück?

Und zum Schluss noch eine ganze einfache Frage, insbesondere für Organisationen: ist das Auto heute bestellbar und erfolgt die Auslieferung innerhalb einer vernünftigen Zeit? Es gibt hunderte von Zeitungsartikeln, die uns erzählen, wie toll das Auto ist, das in 2, 3 oder 4 Jahren lieferbar sein soll. Über die Realität informierte u.a. die ARD in ihrem Beitrag über das Märchen vom Elektroauto. (Siehe auch: Über uns -> Medienhinweise)

Gehen Sie bei Ihren Überlegungen also von der heutigen Realität aus. Wilde Ankündigungen sollen Sie nur verunsichern. Die Botschaft ist: kaufe nicht bei einem Konkurrenten, warte bis ich auch so weit bin. Allerdings sollte man hier sich an IBM erinnern. Nach Presseberichten wurden mehr als ein Drittel aller Produktankündigungen nie realisiert. Sie waren nur heißer Dampf, um Konkurrenten auszuschalten.

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